Liebesromane 2024: Sechs Bücher, die romantisch, aber nicht kitschig sind.
Dass Geschichten über Liebe gerne gelesen werden, ist kein Geheimnis. Laut einer Umfrage unter 445 Buchnutzer:innen aus 2023 liegen Krimis und Thriller bei Leserinnen in Deutschland zwar mit 47 Prozent auf dem ersten Platz, historische und romantische Romane rangieren aber mit 39 Prozent dicht dahinter.
Während hierbei, getreu romantischem Klischee, häufig „Meet Cutes“ und Happy Ends triumphieren, gibt es jedoch auch einige Bücher, die vielmehr die unterschiedlichen und schmerzhaften Facetten der Liebe – erfüllt, bedingungslos, platonisch, einseitig, verboten oder obsessiv – porträtieren.
6 lesenswerte Liebesromane, die romantisch, aber nicht kitschig sind
Von zwei jungen Männern, die vor dem Hintergrund des Pariser Nachtlebens in den 1950er-Jahren heimlich eine Beziehung beginnen, über ein ungleiches Duo in Sankt Petersburg, das sich, um ihrer Einsamkeit zu entkommen, immer wieder für nächtliche Gespräche trifft, bis zu einem Dreiergespann, das zusammen über zwei Sommer hinweg durch Stockholm zieht: Hier stellen wir Ihnen sechs Bücher mit Liebesgeschichten ohne Kitsch und Klischees vor.
1. „frei schwimmen“ – Caleb Azumah Nelson
Als sich auf einer Party im Londoner Südosten zwei Fremde begegnen, fällt Ihnen sofort auf, dass sie viel gemeinsam haben: Beide machen Kunst (sie tanzt, er fotografiert), beide sind britisch und People of Color, teilen ihre Liebe zur Musik (Hip-Hop und Jazz), und wollen sich ein Leben in London aufbauen – in der Stadt, „die sie mal umarmt und mal abstößt“. Der Roman umfasst Liebe in ihrer ganzen Verwirrung und erforscht, welchen Platz sie inmitten von individuellen, familiären und gesellschaftlichen Problemen einnehmen kann.
Der Debütroman von Caleb Azumah Nelson überzeugt mit seinem lyrischen und einzigartigen Sprachstil (der in der Originalsprache Englisch unter dem Titel „Open Water“ vielleicht sogar noch besser ist) und seinem authentischen Protagonisten, der über sich selbst in der zweiten Person Singular schreibt, als würde er sich aus der Ferne beobachten.
2. „Young Mungo“ – Douglas Stuart
Die Story in „Young Mungo“ ist genauso leidenschaftlich wie das Cover (ein ikonisches Foto mit dem Titel ‚A Cock (Kiss)‘ von Wolfgang Tillmans, das in 2002 in einem Londoner Nachtclub aufgenommen wurde). Der Roman spielt im Glasgow der 1990er-Jahre und handelt von einem Jungen namens Mungo, der anders als die meisten Charaktere in diesem Buch schmächtig und zärtlich ist. Inmitten eines rabiaten Umfelds, das ihn für die eigenen Vorteile ausnutzt und ihn ständig „zu einem richtigen Mann“ machen will – unter anderem einer alkoholkranken Mutter und einem gewalttätigen Bruder – zeigt sich Mungo so unerschütterlich wie sensibel. Er findet einen Verbündeten – der bald mehr für ihn wird als ein nur ein Freund.
3. „Weiße Nächte“ – Fjodor Dostojewski
Die Novelle „Weiße Nächte“ des russischen Autors Dostojewski aus dem 19. Jahrhundert liest sich mit nur 109 Seiten recht schnell. Dabei ist die Thematik heute noch genauso aktuell wie damals. Der Titel bezieht sich auf die für die russische Stadt Sankt Petersburg charakteristischen kurzen, hellen Sommernächte, die Anfang Mai bis Ende Juli andauern und in denen sich die Protagonist:innen begegnen. Es geht um einen Einzelgänger und Tagträumer, der beinahe wie ein Geist, unsichtbar und beobachtend, durch die Straßen schweift. Eines Nachts lernt er Nastenka kennen, die genauso einsam ist wie er selbst. Er verliebt sich schlagartig in sie, beinahe obsessiv, und trifft sie unter dem Deckmantel der Freundschaft immer wieder unter dem (weißen) Nachthimmel, wo sich die beiden von ihrer Vergangenheit erzählen – bis diese sie schließlich einholt.
4. „Giovannis Zimmer“ – James Baldwin
Baldwin porträtiert, intim und bildhaft, eine verbotene Liebe und verdrängte Sexualität im Paris der Fünfzigerjahre: In einer Bar der französischen Hauptstadt wird der zurückhaltende David vom charismatischen Barkeeper Giovanni in den Bann gezogen. Die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre – die vor einem Wendepunkt steht, als Davids Verlobte zurück in die Stadt kommt. David findet sich im Gefühlschaos wieder, eingepfercht in Giovannis kleinem Zimmer, in dem er sich folgenden Fragen stellen muss: Welches Leben will er führen? Kann er sich von gesellschaftlichen Konventionen lösen? Was ist wahre Liebe? Und viel ist er bereit, für sie zu opfern?
5. „Das Trio“ – Johanna Hedman
In Johanna Hedmans Debütroman „Das Trio“, dessen deutschsprachige Version am 18. März 2024 erscheinen wird, geht es, wie schon der Titel erahnen lässt, um ein Dreiergespann, bestehend aus Hugo, Thora und August. Der Roman beginnt in Stockholm, wo Hugo als Untermieter im Haus von Thoras Eltern aufgenommen wird und auf die unnahbare und kühle Thora und ihren herzlichen und charmanten Freund August trifft. Die Geschichte zieht sich über zwei Sommer in Stockholm, Paris und Berlin und wird abwechselnd aus Thoras und Hugos Perspektive erzählt. Beide sind in sich gekehrt, spüren eine starke Verbindung und brauchen doch August, um sich einander – freundschaftlich und sexuell – anzunähern. Das Buch erforscht dabei, sprachlich großartig, typische Themen, mit denen man in seiner Jugend und in (den ersten) Liebesbeziehungen konfrontiert ist: Eifersucht, Einsamkeit, Entfremdung.
6. „Auf Erden sind wir kurz grandios“ – Ocean Vuong
In „Auf Erden sind wir kurz grandios“ adressiert ein Sohn in einem langen Brief eine Person, die ihn wohl nie lesen wird: seine analphabetische Mutter. Die Sexualität des Protagonisten und die Liebesgeschichte zu Trevor spielen in Ocean Vuongs Debütroman eher peripher eine Rolle, während seine vietnamesischen Wurzeln, das Kriegstrauma seiner Mutter und ihre strenge Erziehung im Vordergrund stehen. Vuongs Roman liest sich beinahe wie ein Gedicht, in dem die Grenzen zwischen Prosa und Poesie verschwimmen und Themen wie Ausgrenzung und Einsamkeit vielleicht gerade deshalb so nah, brutal und sanft zugleich, dargestellt werden.
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