Die Reise nach New York war eine ganz besondere für mich. Ich hatte schon lange den Traum, vielleicht mal eine Zeit lang dort zu Leben. So habe ich dann recht kurzfristig beschlossen, einen Monat in New York zu verbringen, bevor ein nächstes Projekt anstand. Auch weil mir klar geworden ist, dass ich die Stadt eigentlich kaum kenne. Der New-York-Traum war eher ein abstrakter und sicherlich geprägt von Filmen und Serien. Vielleicht würde ich es gar nicht mögen, in New York zu leben, überlegte ich. Ich war zwar während meines Studiums in Los Angeles ein paar Mal dort zu Besuch, aber immer nur für ein paar Tage. Ich dachte, vielleicht platzt nun die Bubble, der Traum. Aber es geschah das Gegenteil. Es war eine der wichtigsten Reisen für mich als Künstler, und auch als Schwarze Person. Die Cornrows waren dann wie ein sichtbares Abbild meines Entwicklungsprozesses. Ich wollte schon länger Cornrows ausprobieren, aber es ging dann oft nicht, beispielsweise wegen anstehenden Filmproduktionen. Ich musste die Haare immer wieder kurz schneiden. Ich dachte, wenn nicht jetzt, wann dann.
Obwohl ich die USA kannte und bereits dort gelebt habe, war New York noch einmal anders prägend für mich – und die Frisur ein Zeichen meiner Veränderung. In East Williamsburg hatte ich einen Salon gefunden, der Braids machte. Allerdings waren meine Haare im Grunde fast zu kurz für Cornrows. Die Rows werden zwar mit Extensions in die Haare geflochten, aber diese muss man erstmal am Haupthaar befestigen. Die Mitarbeiter:innen des Braiding Shops waren sehr lieb und ich bekam bereits am nächsten Tag einen Termin mit einer Braiderin, von der es hieß, dass sie so geübt sei, dass sie es trotz meiner kurzen Haare vielleicht schaffen würde. Ich hatte also etwas Bedenkzeit. Soll ich das wirklich machen? Vielleicht sieht es total albern aus. Der ganze Prozess war irgendwie sehr wichtig für mich, persönlich. Und dann haben wir’s gemacht. Schon im Salon war ich völlig geflasht von dem Look. Die Braider:innen waren auch total begeistert. Dennoch empfand ich eine gewisse Demut. Ich habe einen Teil einer Kultur entdeckt, von dem ich nicht wusste, dass er auch zu mir gehören kann. Mir ist auch aufgefallen, dass mir Wissen fehlt. Wissen und Kultur, von der ich gerne viel früher hätte erfahren wollen.
Reaktionen aus dem Umfeld
Reaktionen bekam ich zunächst aus meinem engsten Umfeld, ich hatte meiner Family und Freund:innen sofort Bilder geschickt. Aber tatsächlich reagierten die Leute auch auf der Straße oder im Café. Die Reaktionen waren durchweg positiv. So viel Liebe und Support. Auch wenn die Frisur in New York natürlich nicht außergewöhnlich ist, habe ich von Bekannten vor Ort schnell Zuspruch erfahren. Zurück in Berlin gab es dann auch tolle Reaktionen, sogar von Fremden. Aber vor allem hat es natürlich etwas mit mir gemacht. Immerhin musste ich auch das Wissen um die Haarpflege irgendwie neu lernen. Mit einem Durag schlafen, mit einer Haube duschen. Nicht schwimmen oder saunieren. Ich wusste vieles nicht. Zu erfahren, welche Geschichte des Protestes Cornrows außerdem haben und welche Wichtigkeit für versklavte Menschen, war humbling. Man denkt ja irgendwie immer, jetzt bin ich fertig, ich zumindest. Mit 18, mit 30. So, jetzt bin ich fertig. Und dann geht eine neue Tür auf, ein anderes Level öffnet sich, und man denkt, ah, okay, diese Welt gibt es auch noch.
Unterschiede in der Wahrnehmung USA vs. Deutschland
In New York gibt es natürlich zunächst einmal sehr viel mehr junge Schwarze Menschen im Stadtbild, in den Medien – und damit auch eine größere Selbstverständlichkeit verschiedenster Frisuren für Afrohaare. Da falle ich nicht auf, und das ist sehr angenehm. In der Subway in New York zu sitzen, und um mich herum verschiedene junge Schwarze Menschen mit verschiedenen Frisuren und Attitudes zu sehen war sehr inspirierend. Ich habe gemerkt, wie wichtig es für mich als Erzähler ist, täglich Menschen zu sehen die aussehen wie ich, um dann ihre Geschichten erzählen zu wollen, mich abzugleichen, das war anregend. In Deutschland ist das anders. Da bin ich manchmal in bestimmten Räumen und Kontexten „der Andere“. Und oft, zum Beispiel beim Film, auch der Einzige. Ich werde immer noch täglich auf Englisch angesprochen, weil Menschen nicht glauben können, dass ich Deutsch bin. Schwarz und deutsch ist immer noch nicht selbstverständlich, auch wenn das Verständnis besser geworden ist. Vielleicht haben diese Erfahrungen auch dazu geführt, nicht noch mehr auffallen zu wollen. Mich anzupassen. Die Frisur war auch ein Weg, genau das abzulegen. Jetzt bin ich einfach noch bewusster “anders”. Gut, dann bin ich eben der einzige Schwarze in diesem Raum, dann trage ich halt Baggy-Jeans und Cornrows – so what? Seit New York lebe ich noch mehr Facetten meines Selbsts aus – auch auf die Gefahr hin, Ablehnung zu erfahren. Irgendwie hat es mir eine gewisse Angst genommen.