„Leben bedeutet Veränderung“, findet unsere Autorin Jovana Reisinger. Warum sollte eine Scheidung also zwingend traurig machen?

Hätten Sie gewusst, dass im Jahr 2022 die Scheidungsrate von Ehen in Deutschland rund 35 Prozent betrug? Auf drei Eheschließungen kam damit rechnerisch eine Scheidung. Auch meine Ehe ist gescheitert. Sie zerbrach nach ein paar Jahren, und es war uns unmöglich, die Scherben wieder aneinander zukleben oder sie in etwas Neues zu transformieren.

Eine bis dahin unbekannte Ausweglosigkeit zwang uns zur Trennung und entließ uns in eine ungewisse Zukunft. Schließlich hatten wir es einander feierlich versprochen: Diese Verbindung soll für immer halten. Die Ringe wurden angesteckt: Wir würden uns für immer lieben. Der Kuss besiegelte das Prozedere: Wir sind füreinander bestimmt. Unsere Zukunft, so versicherten wir uns, bestand aus uns beiden.

Scheidung: Von der Ehe- zur Ex-Frau – und jetzt?

Im Moment des Einander-Verlassens wurde ich von seiner Ehe- zu einer Ex-Frau. Wobei das faktisch nicht stimmt, zumindest noch nicht. Der Mann und ich warten seit geraumer Zeit auf den Gerichtstermin, der uns auch formell voneinander löst. Während Adressen, Habseligkeiten und Lebensentwürfe längst gewechselt, aufgeteilt und voneinander distanziert wurden, verharren wir in einem diffusen Statuszustand. Noch verheiratet, längst nicht mehr zusammen.

Ein vermutlich guter Moment, um mir Gedanken über meine neue Zuschreibung zu machen. Wer bin ich jetzt? Die „geschiedene Frau“ litt lange unter einem Anerkennungsproblem. Denn dass so ein Ehe-Aus nicht das Ende der Welt bedeutet, vor allem nicht für die Ex-Frau, ist eine vergleichsweise junge Realität.

Bis vor wenigen Jahrzehnten wurde sie noch aus Gesellschaft und Gemeinschaft ausgeschlossen, abgewertet und möglichst unsichtbar gemacht – heute trägt sie Revenge-Looks, ist unabhängig und hoffentlich glücklicher als in ihrer misslungenen Beziehung. Zumindest ist das in meinem luxuriösen Fall so – ohne Kinder und ohne wirtschaftliche (oder vergleichbare) Abhängigkeiten, in einem feministischen Umfeld in einer Großstadt lebend, möglichst gelöst von konservativen Wert- und Rollenverständnissen.

Im besten Fall ist man nach der Scheidung glücklicher – im schlechten in finanziellen Schwierigkeiten

Ganz so glamourös und heiter trifft es nicht auf alle zu: Für manche führen Ehegattensplitting, Steuerklassen und Unterhaltsfragen nach der Scheidung zu existenziellen Bedrohungen. Abgesehen davon, dass man sich so eine Scheidung auch erst mal leisten können muss. Im Schnitt kostet eine Scheidung mindestens zwischen 1600 und 3000 Euro – wenn sie einvernehmlich ist. Ist sie es nicht, ist die Skala nach oben offen.

Mein Leben hat sich seit dem Ende der größten und schönsten Liebe jedenfalls radikal verändert. Irritierenderweise zum Besseren. Wo ich vorher dachte, es würde sich immer zu kämpfen lohnen, weiß ich heute, dass manche Begegnungen doch nur für eine bestimmte Dauer, nicht jedoch für ein ganzes Leben passen – und dass es durchaus in Ordnung ist, so eine große Liebe aufzugeben und nicht jede Krise auszuhalten.

Als wir es unseren Familien verkündeten, flossen Tränen und wurden kurzerhand Stoßgebete geschickt. Letztere allerdings nur in meine Richtung: Jovana, du bist doch schon über dreißig, da findest du doch keinen mehr. Ich fragte mich umgehend, ob sich mein Status (auf dem Liebesmarkt und allgemein) nachhaltig verschlechtern würde, welche Konsequenzen und welche Nachteile wohl daraus entstünden. Von der anfänglichen Existenzangst abgesehen, die mit der Suche nach bezahlbarem Wohnraum direkt beginnt.

Wieder neu auf dem Liebesmarkt: Von irritierenden Männern und vorbildlichen Hollywood-Diven

Es gibt durchaus Männer, die mir erklärten, sie fänden mich als Freundin unpassend, weil ich schon einmal verheiratet war. Das finde ich erstaunlich. Sie sprachen dabei mit mir, als wäre ich ein defektes Ding oder ein ausrangiertes Stück. Etwas, das eben nicht mehr aufregend neu und unbenutzt ist. Diese Degradierung machte mir offenkundig keinen Spaß, und so wurde aus der anfänglichen Unsicherheit plumpe Koketterie. Wenn schon Ex-Frau, dann ab jetzt wenigstens extravagant und übertrieben.

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