Bruce Willis’ und Demi Moores gemeinsame Tochter Tallulah Willis’ über ihren Kampf mit psychischen Erkrankungen, die Demenz-Diagnose ihres Vaters – und wieso es so wichtig ist, sich selbst zu lieben.
Ich war elf Jahre alt und saß allein im Gästezimmer des Penthouses, das meine Eltern am Central Park West besaßen, als sich meine Welt auf den Kopf stellte. Am Abend zuvor war ich mit meiner Mutter, Demi Moore, und ihrem damaligen Partner, Ashton Kutcher, zu einer Veranstaltung nach New York geflogen. Dort hatte ich ein besonderes Cape getragen – ich fühlte mich furchtbar erwachsen, war sehr zufrieden mit mir selbst und wollte nun sehen, ob mein Look es auf die Partyseiten einer der Style-Websites geschafft hatte. Also klappte ich meinen Laptop auf und klickte mich durch die Galerien, und da stand ich nun mit pubertärer Unbeholfenheit neben meiner berühmt-berüchtigt-schönen Mutter. Es war die Blütezeit von Perez Hilton, prominente Kinder waren noch Freiwild. Irgendwann fand ich den Weg zu den Kommentaren, Hunderten von ihnen. Die Worte brannten sich dabei in den Bildschirm ein. „Wow, sie sieht deformiert aus. Seht euch nur ihren Männerkiefer an – wie eine hässliche Version ihres Vaters. Ihre Mutter muss so enttäuscht sein.“ Ich weiß noch, wie mucksmäuschenstill es in diesem Moment in dem Raum war. Zwei Stunden verbrachte ich lesend und glaubte, hier über eine Wahrheit zu mir gestolpert zu sein, die mir niemand mitgeteilt hatte, um mich zu schützen. Ich erzählte daraufhin jahrelang niemandem davon, da ich mein Umfeld genauso abschirmen wollte. Ich lebte einfach – mit der stillen Gewissheit meiner eigenen Hässlichkeit – weiter.
„Nur ich selbst kann mich schützen“ – Willis über das Leben in der Öffentlichkeit
Als ich mich im Alter von 20 Jahren zum ersten Mal in psychiatrische Behandlung begab, fanden Details über meine Gesundheit ihren Weg in Klatschzeitungen. Damals wurde mir die Entscheidung, meine Geschichte selbst zu erzählen, dadurch abgenommen. Jetzt, neun Jahre und einige Therapien später, kann ich sie endlich selbst treffen. Doch da ich nun mal die Tochter von Bruce Willis und Demi Moore bin, frage ich mich noch immer, ob es überhaupt in Ordnung ist, öffentlich darüber zu sprechen. Da wäre natürlich dieser Nepo-Baby-Faktor: das Bewusstsein, dass, wenn ich nicht ihre Tochter wäre, sich womöglich nur wenige außerhalb meines Familien- und Freundeskreises dafür interessieren würden, was ich zu sagen habe. Dann wäre da noch die Tatsache, dass ich – obwohl ich glaube, dass das Leiden aller Menschen berechtigt ist – immer Angst hatte, wie eine verwöhnte und weinerliche Idiotin dazustehen. Ich wurde dazu erzogen, meinen Mund zu halten. Es ging dabei nicht um Nacht-und-Nebel-Aktionen, meine Babyfotos wurden schließlich von Annie Leibovitz geschossen. Doch mir wurde schon in jungen Jahren beigebracht, alles zu tun, um potenzielle Gerüchte über mich zu vermeiden. Meine Schwestern und ich lernten, uns flach unter unseren Jacken auf den Boden von Vans zu legen und uns durch die Hintertüren von Restaurants zu schleichen.
Es gab nur ein einziges Fotolabor in Sun Valley, Idaho, in dem wir Filme entwickeln lassen durften, weil mein Vater dort eine spezielle Vereinbarung hatte. Selbst kürzlich, als ich meiner Mutter erzählte, dass ich für VOGUE über mich schreiben wolle, war das Erste, was sie sagte: „Wer hat das genehmigt?“ Natürlich bleibt ihr Instinkt, mich beschützen zu wollen, bestehen, auch wenn ich durch die Therapien gelernt habe, dass mir niemand zu Hilfe kommen wird, nicht einmal mein großer, starker Vater. Ein Actionheld auf dem Bildschirm und in meiner kindlichen Fantasie. Nur ich selbst kann mich schützen.
Tallulah Willis zwischen den Anfängen von Bruces Krankheit und eigenen psychischen Herausforderungen
Meine Familie gab Anfang 2022 bekannt, dass mein Vater an Aphasie leidet, einer vom Gehirn vermittelten Unfähigkeit zu sprechen oder Sprache zu verstehen. Erst Anfang dieses Jahres erfuhren wir, dass dieses Symptom ein Merkmal von frontotemporaler Demenz (FTD) ist: Dabei handelt es sich um eine fortschreitende neurologische Störung, die Tag für Tag seine kognitiven Fähigkeiten und sein Verhalten beeinträchtigt. Ich wusste schon länger, dass etwas nicht stimmte. Es begann mit einer Art vager Unaufmerksamkeit, welche die Familie auf seinen Hörverlust durch die Hollywood-Zeiten zurückführte: „Sprich lauter! ‚Stirb Langsam‘ hat die Ohren deines Vaters ruiniert.“ Später weitete sich diese Unerreichbarkeit auf andere Bereiche aus, und ich nahm sie persönlich. Mit meiner Stiefmutter, Emma Heming-Willis, bekam er zwei Kinder – und ich dachte, er hätte das Interesse an mir verloren.
Obwohl diese Annahme nicht weiter von der Wahrheit hätte entfernt sein können, quälte sich mein pubertäres Ich mit den immer gleichen Rechenfehlern: Ich bin nicht schön genug für meine Mutter, ich bin nicht interessant genug für meinen Vater. Ich gebe zu, dass ich seinem gesundheitlichen Abbau in den letzten Jahren vor allem mit Vermeidung und Verleugnung begeg-nete, worauf ich nicht stolz bin. Die Wahrheit ist jedoch, dass ich selbst zu krank war, um damit irgendwie umgehen zu können. In den letzten vier Jahren litt ich an Anorexia nervosa, über die ich nur ungern gesprochen habe: Nachdem ich im Alter von 20 Jahren trocken wurde, kam mir die Einschränkung von Essen wie das letzte Laster vor, an dem ich noch festhalten konnte. Mit 25 Jahren wurde ich in eine stationäre Behandlungseinrichtung in Malibu eingewiesen, um die Depressionen zu behandeln, mit denen ich während meiner Jugend gelernt hatte zu leben. Es war ein therapeutisches Erlebnis. Ich trauerte um das 15-jährige Außenseiter-Ich, das hässliche Entlein. Dann wurde bei mir ADHS diagnostiziert, und ich begann mit der Einnahme von stimulierenden Medikamenten, was große Veränderungen mit sich brachte. Zum ersten Mal fühlte ich mich intelligent, aber gleichzeitig begann ich auch, die appetithemmende Nebenwirkung der Medikamente zu genießen. Ich sah plötzlich die Möglichkeit, eine unbeholfene Jugendliche zugunsten einer zerbrechlichen Elfe zu verbannen.
Willis‘ Kampf gegen die Esstörung, der Umgang mit Demenz und Vater-Stereotypen
Wie bei so vielen Menschen mit Essstörungen geriet mein Selbstwertgefühl komplett aus den Fugen. Es gibt diese ungesunde Köstlichkeit am Anfang, wenn man schnell viel Gewicht verliert. Die Leute sagen: „Oh, wow!“ Und dann heißt es schnell: „Bist du okay?“ Meine Freund:innen und meine Familie waren entsetzt – und ich leugnete natürlich alles. Sie fragten: „Kommt es von den ADHS-Medikamenten?“ Ich beschützte sie vehement und redete mir dabei ein, dass sie mir halfen, mich zu konzentrieren, was mich wiederum auch dabei unterstützen würde, ein Leben abseits meines Aussehens aufzubauen. Ein Therapeut für Essstörungen sagte mir später: Je kleiner man ist, desto größer fühlt man sich. Paradox, oder?
Während ich mich mit meiner Körperdysmorphie beschäftigte und sie auf Instagram zur Schau stellte, kämpfte mein Vater im Stillen. Alle möglichen kognitiven Tests wurden durchgeführt, doch es gab noch kein Kürzel dazu. Ich hatte es zu diesem Zeitpunkt bereits geschafft, meinem zentralen Gefühlskanal hinsichtlich meines Vaters eine PDA zu verpassen; die guten Gefühle verschwanden, die schlechten Gefühle aber auch. Ich erinnere mich jedoch an diesen einen Moment, in dem es mich plötzlich schmerzhaft traf: Ich war im Sommer 2021 auf einer Hochzeit auf Martha’s Vineyard, wo der Vater der Braut eine bewegende Rede hielt. Plötzlich wurde mir klar, dass ich diesen Moment nie erleben würde. Dass mein Vater als Erwachsener bei meiner Hochzeit nicht über mich erzählen würde. Und es war niederschmetternd. Ich verließ den Esstisch, ging nach draußen und weinte im Gebüsch. Trotzdem konzentrierte ich mich weiter auf meinen Körper. Im Frühjahr 2022 wog ich knapp unter 40 Kilogramm. Ich fror ständig. Ich rief mobile Infusionsteams an, die zu mir nach Hause kamen. Ich ging nicht mehr in meinem Viertel in Los Angeles spazieren, weil ich Angst hatte, nicht rechtzeitig einen Platz zu finden, um mich hinsetzen und verschnaufen zu können. Kürzlich lag ich nachts im Bett und dachte mit schwerem Herzen: Was wäre, wenn mein Vater ganz er selbst gewesen und mich in diesem Zustand gesehen hätte? Was hätte er wohl getan? Ich möchte gern glauben, dass er es nicht zugelassen hätte.
Während meine Schwestern und meine Mutter über eine umfangreiche emotionale Rüstung verfügen – psychologische Bildung und zwischenmenschliche Fähigkeiten –, war mein Vater nie so sehr an den eigentlichen Ursachen interessiert, an einer genauen Analyse. Vielleicht ist er in dieser Hinsicht ein Vater-Stereotyp einer bestimmten Generation. Ein Macher, der, wenn er es verstanden hätte, mich in den Arm schließen und sagen würde: „Das geht jetzt zu Ende.“ Seine Herangehensweise war immer, das Leck zu stopfen, auch wenn er sich nicht sicher war, warum es eigentlich bestand. Sicherlich hat eine bewusste Auseinandersetzung auch ihre Vorteile, aber es lag eine besondere Schönheit in seiner Art. Und ich glaube, ich habe dies erst bemerkt, als er dazu schon nicht mehr fähig war.